Medizin-Geschichten

Die Heilpflanze des Monats September 2016
Kurioses, Bizarres, Interessantes

Folge 53: Weinraute (Ruta graveolens)

Außergewöhnlich vielseitig, aber nicht ungefährlich ist die Weinraute.
Kommen wir zunächst zur Vielseitigkeit: Schon in der Antike wurde die Weinraute als Heilpflanze hochgeschätzt. Sie sollte etwa bei Augen- und Ohrenleiden helfen. Mönche brachten die Pflanze aus ihrer heimischen Mittelmeerregion dann in unsere Breiten. Hier setzte man die Weinraute besonders bei Augenkrankheiten ein. Noch heute wird Ruta in manchen Gebieten Augenkraut genannt. Im Mittelalter galt Weinraute als wirksames Mittel gegen die Pest. Sie war etwa zusammen mit dem Lavendel wichtiger Bestandteil des „Vierräuberessigs“ (siehe unter „Lavendel“).

Doch sie war nicht nur als Pestmittel beliebt, Ruta galt geradezu als Universalheilmittel, das gegen alle Gifte, alle Geister und Teufel sowie vor dem Bösen Blick schützen könne.

Außer als Heilpflanze wird Weinraute auch als Küchenkraut genutzt. Die Blätter waren ein typisches Gewürz in der antiken römischen Küche. Für Grappa und ähnliche Schnäpse zum Beispiel werden ebenfalls Weinrauten-Blätter gebraucht. Auch als Würze für andere Gerichte ist Ruta noch in Gebrauch.
Schließlich wird Weinraute auch in der Parfumindustrie verwendet. Die Pflanze enthält sehr viel ätherisches Öl. Hält man die Blätter gegen das Licht, sehen sie aus wie durchlöchert wegen der vielen Öldrüsen. Weinraute hat einen ausgeprägten Geruch – darauf bezieht sich der botanische Artname: „Graveolens“ bedeutet „stark duftend“. Der Geruch ist allerdings eher herb, ein wenig wie Moschus  - oder wie Wein, daher der deutsche Name.

Der Duft der Weinraute schreckt Ungeziefer ab. Früher wurde Weinraute deshalb gerne in Küchen und Speisekammern gehängt. Junge Hühner wurden mit Weinrauten-Saft besprengt, um Katzen zu vertreiben. Denn auch Katzen, Marder und Ratten mögen den Geruch der Weinraute nicht. Damit kann auch der Erfolg als Pestmittel zusammenhängen: Sie hielt die Ratten ab, deren Flöhe den Pesterreger übertrugen.

Wie hoch die Kraft der Weinraute geschätzt wurde, zeigt eine Erzählung des englischen Franziskanermönchs Bartholomäus aus dem 13. Jahrhundert: Das Fabelwesen Basilisk, dessen Blick allen lebenden Wesen den Tod bringt, könne nur  durch ein Wiesel bezwungen werden, das zuvor Weinraute gefressen habe...

Diese wahrlich vielseitige Pflanze hat aber auch eine dunklere Seite. Ein volkstümlicher Name für Ruta ist Totenkräutel. Denn Weinraute wirkt abortiv. Wie bei  anderen Pflanzen, die zunächst als Aphrodisiaka genutzt wurden, wurde man auch bei der Weinraute auf die Nebenwirkung als Abortivum aufmerksam. Die ätherischen Öle der Ruta enthalten Thujon, das für die abtreibende Wirkung ursächlich ist. Schwangere sollten deshalb keine Weinraute zu sich nehmen.

In einigen Regionen Frankreichs trägt Ruta auch den Namen 'herbe à la belle fille' (Kraut des schönen Mädchens). „Angeblich mussten im Botanischen Garten von Paris vor Jahrzehnten die Rautenpflanzen mit einem Gitter umgeben werden, weil junge Mädchen die Bestände plünderten“, so das Wiener Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch.

Quellen:

Gerhard Madaus: „Bioheilmittel“ und verschiedene Internetseiten, vor allem die des Wiener Museums für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch (http://de.muvs.org/ )
Ursula Armstrong | Redaktion | Sperberweg 2 | D-82152 Krailling | Telefon: +49 (0) 163 / 313 21 10 | e-mail: mail@uschi-armstrong.de | www.redaktion-armstrong.de

Alle Heilpflanzen des Monats

Gelb-grüne Weinrautenblüten. Wer Ruta im Garten hat, sollte vorsichtig mit der Pflanze umgehen. Denn Furanocumarine an der Blattoberfläche können phototoxisch sein. Berührt man die Blätter, während die Sonne scheint, kann es zu einer Rötung der Haut mit Bläschenbildung kommen und als Folge zu einer bräunlichen Pigmentierung. Die Weinraute enthält sehr viel ätherisches Öl, das sie vor allem an heißen Tagen ausdünstet. Es kann sich dann sogar selbst entzünden, weshalb die Ruta ein weiterer Kandidat für Moses‘ „Brennenden Dornbusch“ ist (der andere ist Diptam, siehe dort).
Foto: Armstrong